Dienstag, 3. Mai 2011

Ich freue mich darüber, dass es gelungen ist, zu töten.

Gestern machte eine Nachrichtenmeldung die Runde: "Osama bin Laden ist tot". Bei einer sogenannten Kommandoaktion (andere würden Überfall oder Invasion dazu sagen) wurde der Kopf des Terrornetzwerks al-Qaida und Drahtzieher der Anschläge von 9/11 erschossen.

Begleitet wurden die Fernsehberichte von Bildern frenetischer US-Bürger, die hupend, grölend und natürlich fahnenschwenkend sich vor dem Weißen Haus etc. versammelten und ihre Freude darüber zum Ausdruck brachten. Ein beklemmendes Bild, das man sonst eher aus Berichten zum nahen Osten kennt - es fehlten nur noch ein paar Leute, die mit ihrer AK74 in die Luft ballerten.

Im ersten Moment war ich sogar etwas verwirrt: "Osama? Ist der nicht längst tot? Ach nein, das war ja der andere, der auch irgendwie was damit zu tun hatte und nebenbei auch noch den USA im Weg zum Öl im Weg stand. Aber der war ja auch böse". Aber zeigt das nicht, daß gut zehn Jahre nach den Anschlägen die Tragödie zwar immer noch tragisch ist, aber das Rad der Zeit sich eigentlich weitergedreht hat? Ist das Thema wirklich noch so präsent, daß man, wie nach einem gewonnen Fußballspiel, sich darüber freuen und auf die Straße feiern gehen muß?

Mit sehr gemischten Gefühlen habe ich dann die Kommentare der Politiker verfolgt. Alle drückten den USA ihre Glückwünsche zu dieser gelungenen Aktion aus. Unsere Kanzlerin meinte dazu:
Ich freue mich darüber, dass es gelungen ist, bin Laden zu töten.
Das gewählte Oberhaupt eines demokratischen Staates, in dem laut Grundgesetz (Artikel 102) die Todesstrafe abgeschafft ist, freut sich also darüber, daß aus reiner Rache eine Person getötet wurde. Denn nichts anderes ist es: Rache. Die Tötung hat wohl kaum einen anderen Grund, da sie nichts daran ändern wird, daß Mitglieder terroristischer Vereinigungen weiterhin ihre kruden Ideen umsetzen wollen. Mit der Tötung bin Ladens ist die Welt nicht friedlicher geworden.

Klar, bin Laden ist vermutlich im christlichen Sinn kein guter Mensch gewesen. Er dürfte Schuld am Tod vieler Unschuldiger sein. Aber das gibt uns nicht das Recht, ihn einfach gezielt zu töten (denn es darf wohl bezweifelt werden, daß die US-Truppen die Tötung bin Ladens nur als zweite Wahl ansahen und ihn lieber gefangengenommen hätten) und sich darüber dann auch noch zu freuen. Demokratie bedeutet, daß auch Kriegsverbrecher das Recht auf ein Gerichtsverfahren (Freiheit ist immer Freiheit der Andersdenkenden, sich zu äußern.) und Strafe haben. Auch wenn die USA mit der Praktizierung der Todesstrafe und der Ablehnung des Römischen Statut, sich weiterhin als Weltpolizei aufspielen, so sollte die Bundeskanzlerin sich an die gesetzliche Strafgerichtsbarkeit gebunden sehen und nicht eine Tötung gutheißen und sich sogar darüber freuen. Eine schlichte, sachliche Stellungsnahme zum Sachverhalt wäre ausreichend und angemessener gewesen.