Samstag, 20. August 2011

Soziale Isolation heute

Im Zeitalter digitaler Fotografie und inhaltsleerer Schlagwörter wie "Facetime", "Cloud" und "Online Community" erfährt der medienkritische Papa eine ganz neue Art der gesellschaftlichen Isolation und Ächtung.
Leider bin ich wohl zu gut informiert und mache mir zu viele Gedanken über den Datenschutz und die Persönlichkeitsrechte. Zwar kann jeder regelmäßig darüber lesen, daß Facebook & Co. mal wieder beim Datenschutz versagt hat, doch im Langzeitgedächtnis bleibt das wohl bei kaum einen hängen. Auch die Berichte im Fernsehen, bei denen sich Teenies darüber beklagen, daß andere Teenies sie in irgendeinem Forum mit Bildern mobben und sie deshalb auch keinen Job bekommen, da jeder Personalberater heutzutage den potentiellen Kandidaten zuerst "googelt".
Ich habe etwas dagegen, daß Fotos meiner neunjährigen Tochter, wie sie beim Schulausflug im Bikini am See steht oder sich anderweitig in der Ferien-Kinderbetreuung "zum Horst macht" bzw. einfach nur ihren kindlichen Spaß hat, ihr später zum Verhängnis oder von Kinderschändern mißbraucht werden. Früher war das kein Problem: Jeder machte seine eigenen Fotos und wenn man dann doch mal das Kind der Urlaubsbekanntschaft ablichtete, machte man vielleicht noch einen Papierabzug mehr und gab es der Familie. Heute ist alles digital und jeder meint, alle Welt müsse alle Bilder zu sehen bekommen. Also wird wild fotografiert und anschließend geht's Online. Ist ja alles ganz harmlos und so praktisch. Wen interessiert's denn schon? Mich! Alles, was Online ist, egal für wie kurze Zeit, bleibt Online und läßt sich so gut wie nie mehr vollständig entfernen. Zumal auch in kurzer Zeit sich wildfremde die Bilder auf ihren PC herunterladen können. Schlimm wird es, wenn dann die Bilder auch noch verlinkt werden und jeder Kopf auf dem Foto mit einem Namen versehen wird (Tagging). So lassen sich schnell Profile erstellen. Von Datenkraken wie Facebook aber auch von Behörden. Und schneller als man denkt steht man auf der Abschußliste, weil man um drei Ecken herum einen Terrorverdächtigen kennt und auch mal im mittleren Osten Urlaub machte. Oder das Konterfei landet unversehens (da viele Leute alles als Freiwild ansehen, was sie irgendwo anders kopieren können) in einem Kontext, in dem es nichts zu suchen hat: als Mitläufer einer Partei, als Illustration zu einem Krankheitsbericht, als Gag in einer Talkshow.

All das ist verboten. Wer eine Person so fotografiert, daß sie auf dem Bild deutlich zu erkennen ist und nicht Teil einer großen Menge ist, muß diese Person (schriftlich) um Erlaubnis für jede Art der Veröffentlichung bitten. Viele Organisationen (Schule, Reiseveranstalter, Sportverein) holen sich deshalb gerne eine solche pauschale Erlaubnis für ihre Webseite, den Werbekatalog, Zeitungen usw. im Vorfeld. Und die gebe ich Ihnen meistens nicht. Warum auch? Ist es wirklich notwendig, massenhaft Schnappschüsse zu machen und diese dann alle zu veröffentlichen? Ich denke nicht und ich will die Kontrolle über die Bilder von meiner Tochter (und auch über mich) behalten - denn dazu bin ich verpflichtet: Ich muß alles zum Wohle meines Kindes unternehmen - oder wie soll ich ihr später erklären, daß alle es damals ganz süß fanden, wie sie halbnackt im Schlamm buddelt und sie heute deswegen ausgelacht wird? Entsteht wirklich mal ein Foto, welches unbedingt der Welt gezeigt werden soll, dann kann man ja gerne für dieses eine Bild um mein Einverständnis fragen - unter Angabe von Art und Umfang der Veröffentlichung - und ich kann mir vorstellen, dann im Einzelfall auch nichts dagegen einzuwenden.

Da ich so regide sein will, verweigere ich stets die pauschalen Schreiben, in denen ich mich bereit erklären soll, daß alles, was von meiner Tochter digital festgehalten wird, (irgendwo) veröffentlicht werden darf. Und damit bin ich und leider auch mein Kind der Außenseiter und Querulant, der sich (mal wieder) nicht in die Gruppe einfügen will. Andauernd werden dann Gruppenfotos gemacht und meiner Tochter wird dann gesagt, sie möge sich bitte nicht dazu stellen, weil Fotos von ihr ja nicht veröffentlicht werden dürfen. Als ob jedes dieser dämlichen Gruppenfotos veröffentlicht werden würde. Mein Kind fühlt sich aber als Außenseiter und Gebrandmarkt, da sie natürlich nicht versteht, warum mir das so wichtig ist und ich muß mir Gedanken darüber machen, was für ein schlechter und harter Papa ich bin. Die anderen Eltern oder Erzieher schauen einen dabei dann auch noch völlig verständnislos an und bedauern das arme Kind angesichts einer solchen unsozialen Haltung die nur die Gruppendynamik stört, da man sich ja andauernd daran erinnern muß, daß man das eine Kind da nicht fotografieren darf. Dabei stimmt das gar nicht: Keiner hat was gegen das fotografieren - nur gegen das unkontrollierte Verbreiten.
Wäre es nicht schön, mal wieder Gruppenfotos zu machen und jedem abgebildeten einfach einen Abzug zu schenken? Das ist nämlich keine Veröffentlichung und völlig legitim - auch ohne Papierkram.