Sonntag, 10. Juli 2011

Vorschrift ist Vorschrift ist sicher

Es ist Sommerzeit: Reisezeit. Auf der Autobahn sieht man nun wieder vermehrt Autos auf dem Weg in den Urlaub: Die ganze Karre ist so sehr bis unters Dach vollgestopft, daß sie hinten schon so tief hängt, daß man sich fragt, ob die Stoßdämpfer nicht schon am Anschlag angekommen sind. Fragt sich der/die Fahrer/in eigentlich nicht, was das bedeutet? Die meisten Autos haben eine recht geringe Zuladung. In die etwa 300-600 kg fallen alle Passagiere neben dem Fahrer, der halbe Tankinhalt und eben das Gepäck. Bei einer vierköpfigen Familie bleibt dafür nicht viel Spielraum. Spannend wird's, wenn dann noch ein Wohnwagen hinten dran hängt. Dieser hat oft so gut wie gar keine Zuladung. Mehr als ein paar Teller und Besteck darf da nicht rein. Aber das interessiert ja nicht. Man schüttelt zwar immer den Kopf, wenn man die ganzen bescheuerten (ausländischen) LKW Fahrer sieht, die sich nicht um die Ladungssicherung kümmern und dann von Polizei und BAG angehalten und medienwirksam im Fernsehen lächerlich gemacht werden aber selber ist man noch viel schlimmer. Während ein LKW durchaus einige Tonnen Übergewicht ohne nennenswerte Einbußen bei den Fahreigenschaften verkraftet (das Problem ist nämlich nicht das Fahrzeug, sondern die Beanspruchung der Asphaltschicht, Brücken usw.), kann selbst ABS und ESP bei einem PKW nichts mehr ausrichten, wenn der Federweg an der Achse fehlt und die Grenzen der Physik überschritten werden.
Schade, daß so etwas viel zu selten kontrolliert wird - ist vermutlich einfach zu aufwendig im Vergleich zum Blitzer. Und ist ja auch irgendwie doof, wenn man dann der Familie sagen muß, das hier auf dem Parkplatz in der Walachei der Urlaub zu Ende ist - dem LKW Fahrer gönnt man das ja irgendwie, wenn er bei so einer Kontrolle, die nicht an einer Rastanlage sondern auf extra angelegten Betonpisten in der Ödnis stattfinden, auf das Ersatzfahrzeug warten muß und keinerlei sanitäre Einrichtungen vorhanden sind. Wobei: Im Fernsehen würde das sicher zum Einschaltquotenschlager, wenn massenweise Urlauber stranden und vermutlich über kurz oder lang den Aufstand proben angesichts des "ungerechten Kontrollwahns".

Ähnlich fasziniert bin ich auch von einem ähnlichen Phänomen: Alle Insassen sind vorschriftsmäßig angeschnallt (und würden sich sicherlich mokieren, wenn ich sage, daß ich ein Gurtmuffel bin). Hinten auf der Hutablage liegt dann der dicke Europaatlas oder der Hund turnt auf der Rückbank rum und im Kombi liegt der Einkauf oder das Urlaubsgepäck (bei umgeklappter Rückbank). Gut, daß die Leute angeschnallt sind, denn so können sie sich noch mal schnell die Sinnhaftigkeit eines Gurtes angesichts ihrer Ladungs-Sicherung durch den Kopf gehen lassen, nachdem sich der Staub der Airbagexplosion gelegt hat und sie wieder nach hinten in den Sitz fallen, während von hinten sich 2 kg Atlas auf den Weg nach vorne machen.
Bei Tempo 50 gegen ein nachgebendes Hindernis ergibt das so in etwa eine Beschleunigung (umgekehrte Verzögerung) innerhalb von 1 Sekunde von
a = v / t = 13,89m/s / 1s = 13,89 m/s²
Das ergibt eine Beschleunigungskraft von
F = m * a = 2 kg * 13,89 m/s² = 27,78 N 
Da machen sich also knapp 30 kg mit acht stabilen Ecken auf den Weg nach vorne. Mögen wir hoffen, daß die Kopfstütze hält und hoch genug ist (und der Atlas auch nicht drunter durch geht). Ein Sechserpack Wasser in 1,5l Einwegflaschen auf der Autobahn machen das Experiment sicher noch spannender: so um die 300 N dürften einen bleibenden Eindruck hinterlassen - gut, daß ich angeschnallt war, wenn ich dann von hinten erschlagen werde. Wenigstens kriege ich posthum kein Knöllchen und Punkte.