Sonntag, 30. September 2012

Unnütz, unpraktisch und teuer

2009 wurden ca. 210.000 t Getränkekartons produziert. Diese Menge ergibt einen Pro-Kopf-Verbrauch von 2,5 kg im Jahr in Deutschland. Ein 1,5 l Karton wiegt etwa 45 g. Gehe ich von einem durchschnittlichen Gewicht von 40 g (0.00004 t) aus, wurden ca. 5.250.000.000 Kartons hergestellt.

Früher war so eine Kiste quadratisch, praktisch, gut. Wer sie öffnen wollte, klappte eine Ecke hoch und riß oder schnitt ein Stück ab. Damit es beim Ausschütten zu keinem Unterdruck kommt und der Inhalt schwallartig hinaus schwappt, wurde ein Loch in die andere Hälfte der Oberseite gestochen.

Und dann kam die angeklebte Ausschüttöffnung.


Seit dem drehen die Leute die Kappe ab und hoffen, daß dabei die innere Siegelfolie abreißt und sie dann den Inhalt ausschütten können. Oft genug reißt die Folie aber nicht ab und man hat zwar den Deckel in der Hand, muß aber trotzdem noch ein Loch hineinbohren. Anschließen schwappt dann die Flüssigkeit schwallartig ins Glas und es kleckert auf den Tisch, weil kein Druckausgleich entsteht, wenn man nicht gerade langsam mikroskopisch kleine Mengen auskippen will. Ein Loch sticht aber keiner mehr rein - ist ja irgendwie uncool. Oder kommen dann Bakterien oder andere Gifte hinein, die der Schraubverschluß abhalten könnte? Oder ist der Verschluß so dicht, daß man die offene Verpackung dann legen kann oder nicht mehr senkrecht tragen muß? Kurzzeitig gab es mal einen Aufreißverschluß, der lang genug war, um auch Luft beim Ausschütten in die Packung kommen zu lassen und der keine Siegelfolie innen brauchte und immer auf ging. Aber der ist irgendwie wieder verschwunden. Geblieben sind die Drehverschlüsse.

Gut, was soll's: Ich schneide meine Kartons wie früher auf. Sollen die anderen doch machen, was sie wollen.

Aber wieso sieht ein Getränkekarton eigentlich aus, wie er aussieht?

Schuld ist der Extremwert: Bei minimaler Verpackungsmenge bietet die Kartonform den maximalen Rauminhalt. Außerdem passen die Kartons gut in Kisten, die genau auf eine Europalette gestapelt werden können. So wird kein Platz beim Transport und im Lager verschenkt.

Mit dem Schraubverschluß ist das aber nicht mehr der Fall. Jeder Karton ist jetzt unnütze ca. 11 mm höher. Und es entsteht eine große Fläche (fast die ganze Oberseite) Luft beim Transport wenn Kisten übereinander stehen. Und das Gewicht eines jeden Kartons nimmt auch zu. Ca. 2,5 g wiegt eine Kappe. Sagen wir im Schnitt (weil auch nicht überall eine drauf ist) 2,0 g. Das summiert sich auf gut 10.000 t Plastikmüll!
Ein optimal verbrauchsarmer Lkw verheizt etwa 0,8 Liter Diesel auf 100 Tonnenkilometern (die wenigsten Lkw sind so gut - aber egal). Das heißt, um lediglich all die Verschlüsse lächerliche 100 km zu transportieren (und das ist sicherlich nur ein klitzekleiner Bruchteil dessen, was so ein Getränkekarton und ein Verschluß unterwegs ist), werden pro Jahr 8.000 l Diesel verbrannt. Zusätzlich werden 20,5 Gramm CO2-Emissionen je Tonne Nutzlast und Kilometer erzeugt. Also 20,5 t C02 für 100 km.

Und das alles für einen unnützen und im Grunde unpraktischen Gegenstand. Gut, daß wir da so umweltbewußt sind und wenigstens 63 % von dem Müll dem Recycling zuführen (wo es aber nicht etwa vollständig wiederverwendet wird - auch wenn die Industrie und Abfallwirtschaft uns das gerne einreden möchte) und der Plastikdeckel weitere 100 km durch die Welt gefahren wird: unter erneutem Einsatz von 8.000 l Diesel und 20,5 t CO2.