Mittwoch, 19. Dezember 2012

Es Weihnachtet ... mal wieder völlig überraschend

Möchten Sie Kurierdienstfahrer sein? Jetzt, wenige Tage vor Weihnachten? Bei diesem Wetter (Schnee, Glätte, Matsch, Dunkelheit)? Ich nicht! Um so mehr habe ich Mitleid mit den Paketzustellern, die mir Sendungen bringen und Pakete bei mir abholen, die ich als Onlineshopbetreiber verschicke. Jeden Tag kommen sie später und später am Abend erst vorbei. Bemüht, die Hektik nicht zu sehr den Kunden merken zu lassen, fällt es ihnen doch zusehend schwer, zwei Worte zu wechseln und das digitale Quittiergerät nicht schon nach der halben Unterschrift wieder zurückzuziehen. Wenn dann mal wieder eine Reportage [1], [2], [3] über die schlechten Arbeitsbedingungen läuft, halten wir alle kurz mal Inne und Bemitleiden diese Arbeiter.
Das dabei der größte Logistiker weltweit trotz staatlicher Subvention (allein schon die - in der Branche einmalige -  Befreiung von der Mehrwertsteuer dürfte Millionen Euro ausmachen - und trotzdem sind die Preise bei DHL mit die höchsten der Branche), erstaunt dann zwar, trotzdem glauben viele Leute daran, daß man bei GLS, Hermes, DPD etc. noch schlechter dran ist und als Shopbetreiber höre ich oft genug von Kunden, die unbedingt per DHL ihre Ware bekommen wollen, weil da der Service etc. doch so gut ist. Ich frage mich immer welcher, denn UPS und Hermes unternehmen beispielsweise mehrere Zustellversuche und nicht nur einen, nach dem ich dann das Paket zu altkaiserlich-bürokratischen Öffnungszeiten irgendwo in einer Filiale abholen muß.

Um meine Kurierfahrerin ein wenig über die anstehenden Feiertage zu entlasten, plane ich meine Abholaufträge so, daß sie nicht noch am 24.12. oder 31.12. bei mir aufschlagen muß, sondern vielleicht erst einen Werktag später. Die Folge wird sein, daß die Ware der Kunden vielleicht vor und über die Feiertage etwas verzögert abgearbeitet wird. Da ich keine lebenswichtigen Produkte vertreibe, denke ich, daß damit jeder kein Problem haben sollte (und wenn doch: kaufe woanders, mir egal).
Trotzdem erhalte ich Anfragen, in denen die Kunden drängeln und fragen, ob sie denn die Ware noch vor Heiligabend bekommen würden. Nein. Allein schon bis die Bezahlung eingeht, dauert es 1-2 Tage und der Transport nimmt mindestens einen Tag in Anspruch. Zwei bis drei sind bei normalen Sendungen schon ohne erhöhtes Versandvolumen ("nach Angaben der Post verdreifacht sich jedes Jahr vor Weihnachten das Paketaufkommen"[Quelle:stern.de]) normal.
Quelle: http://www.amazon.de/gp/gift-central/holiday-shipping

Die Versandhandelindustrie heizt den Hype um kurze Lieferzeiten immer mehr an und zeigt sogar minutengenau, bis wann ich welche Ware zu welchen Konditionen doch noch pünktlich bis zum Fest bekommen kann. Wer wohl dafür sorgen wird? Genau: der ausgebeutete und Anfang des Jahres noch bemitleidete Kurierfahrer, der dann sogar am heiligen (GG Art. 140) Sonntag bei DHL arbeiten darf/muß/kann/will). Was ist wohl heiliger? Die Kirche, das Grundgesetz oder der Paketkunde? Oder anders gefragt: Wer bzw. was ist (uns) wichtiger? Wieso gibt es eigentlich gegen die Sonntagzustellung keinen Aufschrei durch die Kirche wie sonst beim überflüssigen Ladenschlußgesetz? Oder ist es wichtiger, daß wir der Geburt "des" Heilandes mit einem reich gedeckten Gabentisch gedenken, als daß wir den Zustellern ermöglichen, am Sonntag zu beten (oder was man als Antichrist sonst so am Sonntag machen soll, wenn man nicht arbeitet)?

Aber ist es wirklich notwendig, daß ich am 23.12. noch meine Weihnachtsgeschenke bestelle und erwarte, daß sie pünktlich ankommen? Schon seit dem Sommer wissen wir doch, daß Weihnachten (bald) kommt und wir Süßkram wie zu Kriegszeiten horten müssen (Dominosteine waren vorgestern doch tatsächlich bei Kaufland komplett ausverkauft. Die Kassiererin meinte, da wird wohl auch nichts mehr nachkommen. Klasse Logistik und perfekte Erziehung der Kunden: der Kunde räumt das Lager rechtzeitig leer und verlagert die Lagerung zu sich nach Hause - noch besser und preiswerter als Just-In-Time, der Handel bekommt einen kostenlosen Kredit, da die Rechnungen für die Weihnachtsware sicher erst im Frühjahr fällig sind, und im Geschäft verbleiben keine Reste und es ist am 1.1. Platz für die Osterhaasen). Wieso kaufen wir dann nicht auch unsere Geschenke so rechtzeitig, daß sie in aller Ruhe eintreffen können?