Donnerstag, 25. April 2013

Kinderspielplatz

Es ist halb sechs Uhr morgens. Enervierendes gekläffe, gejaule und gebelle dringt durch den Halbschlaf an mein Ohr. Dabei sind die Fenster geschlossen. Es ist leider kein Einzelfall in dieser Gegend. Andauern bellt irgendwo eine Töle. Beim Joggen oder Autoparken, bellt es einem aus dem Gebüsch entgegen, so daß man jedesmal kurz vor dem Herzinfarkt steht. Tagsüber dann halbstundenlang ohne Pause. Auf jedem Spielplatz werden Kinder und die Ruhezeiten reglementiert aber gegen den Hundelärm unternimmt keiner was.
Also rufe ich kurz nach 8 Uhr mal beim Ordnungsamt an. Die sollten doch dafür zuständig sein. Nach kurzer Schilderung dann ein kurzes Rechnen beim Gegenüber: Ja so gegen Dienstag können wir uns die Sache mal ansehen. Wie bitte? Heute ist Donnerstag. Warum denn erst in vier Tagen? Na das geht nach Priorität und die Fälle müssen in der Reihenfolge abgearbeitet werden. Ich hätte nicht gedacht, daß ich in einer solchen Metropole wohne, wo die mindestens 12 Mitarbeiter des Amtes (lt. Webseite) so mit Arbeit überhäuft sind. Aber es ist sicherlich einfacher, Falschparker aufzuschreiben ("Überwachung ruhender Verkehr" wie sich das dann so schön als Aufgabenbeschreibung für die Mitarbeiter nennt). Immerhin bringt das direkt Geld in die Kasse und ist rechtlich einfach zu begründen, denn wer falsch parkt, ist selber Schuld und handelt gegen das Gesetz. Einfache Logik.

Samstag, 20. April 2013

Junges Holozän

Heute findet irgendwo in meinem "Dorf" ('tschuldigung lieber Ureinwohner: Stadt, aber es gelingt euch leider immer wieder, diesen Status zu widerlegen) und Umgebung eine Motorrallye statt. Ganz klangvoll, wenig phantasievoll und inflationär muß der Lokalpatriot, der sich seinerzeit allerdings aus Ermangelung des Automobils zu Fuß aufmachte, die Gegend zu erkunden, auch hier mal wieder als Namensgeber herhalten.
Mehr durch Zufall habe ich vor einigen Wochen von diesem Ereignis erfahren. Nicht etwa durch die Werbung des Veranstalter, sondern durch die negativen Schlagzeilen in der Presse, als es darum ging, daß die freiwilligen Feuerwehren sich nicht kostenlos für eine kommerzielle Veranstaltung vor den "Karren" spannen lassen wollen.
Nun gut, es ist Wochenende, die Sonne scheint und ich will mir Benzingeruch um die Nase wehen lassen. Stellt sich also die Frage, wann und wo ich die beste Aussicht auf das Renngeschehen habe. Also mal schnell die Veranstaltungskalender der regionalen Zeitungen konsultiert. Nichts. Gar nichts. Gutes Marketing. Also per Google den Veranstalter und dessen Homepage gefunden. Zuschauerinfos... "Alle Informationen zu den Zuschauerpunkten erhalten sie im Programmheft, das im Rallyezentrum Sportcenter [...] und an den Wertungsprüfungen ausliegt".
Klar, wir leben im Informationszeitalter. Da setze ich mich erst ins Auto, fahre durch das Dorf (Sorry: die Stadt) und hole mir so einen Flyer. Und das in einem Kuhkaff, in dem die Einwohner schon eine Wohnsiedlung, die knapp 1 Kilometer vom unmittelbaren Stadtzentrum entfernt aber weit innerhalb der Stadtgrenzen liegt, als weit entfernt, Randgebiet oder gar Außerhalb bezeichnen und bei einer 10 minütigen Fahrt von einem Ende der Stadt zum anderen über den weiten Weg stöhnen. Als (Ex-) Berliner habe ich da vielleicht eine andere Vorstellung von Entfernungen und zumutbaren Wegen im Alltag. Wieso wird diese Info nicht auf der Webseite des Veranstalters veröffentlicht? Ein PDF ist eine feine Sache. Oder soll ich gezwungen werden zum Sportcenter zu fahren, um so den Sponsor kennenzulernen (als ob irgendeiner im Umkreis von 10 Kilometern das Ding nicht kennen würde). Oder will der Veranstalter am Ende gar keine Zuschauer?
Es wäre ja auch nicht so frustrierend, wenn es sich um einen Einzelfall handeln würde. Aber irgendwie kommen die Organisatoren von Veranstaltungen hier alle aus dem Mustopf. Egal, um was es sich handelt: Keine Infos in der Presse, keine Infos am Straßenrand, keine Öffentlichkeitsarbeit, keine Infos im Internet. Die einzigen, die es richtig machen, sind die Discos: Massenhaft bunte Plakate an Laternen. Wenn die Stadt zum Maifest einlädt, hängt sie auch solche A2-großen Plakate auf. Von Profidesigner für teures Geld entworfen. So mit uninteressanten und nebensächlichen Informationen überfrachtet, daß ich im vorbeifahren die wesentlichen Fakten nicht einmal erkennen kann. Wenn die Dinger nur von Fußgängern entziffert werden können, dann braucht man sie auch nicht zur Straße gedreht aufzuhängen.
Heute findet auch das Bullenderby statt. Ein lustiges Seifenkistenrennen. Wir haben zwar keine Berge in der Mark, aber es geht schon. Eigentlich eine schöne Veranstaltung. Besucher, die nicht auch zu den Teilnehmern gehören, gibt es nur wenige. Warum wohl? Genau: Ich weiß nämlich weder wo, noch wann es stattfindet. In der Presse stand etwas. Aber nicht jeder liest die Zeitung (online). Der Veranstalter selbst hat eine Webseite. Google findet auch etwas. Im Google cache sieht das so aus:
Beim Veranstalter auf dessen Homepage sehe ich dann dies:
http://www.estaruppin.de/projekte/jugendsozialarbeit/lindow/bullenderby
Auf der Homepage des anderen Mitveranstalters, kennt man das Ereignis erst gar nicht. Auch wenn man sich laut einem Flyer, der beim Deutschen Roten Kreuz (warum auch immer der dort angeboten wird) von Google gefunden wird, bei denen anmelden soll, möchte man aktiv mitmachen. Sehr informativ alles. Ich werde sicher mal vorbeischauen oder gar teilnehmen.
Ich frage mich, wieviele eigentlich sehenswerte Veranstaltungen an diesem Wochenende noch stattfinden, von denen ich gar nichts weiß und von denen ich dann vielleicht am Montag retrospektiv etwas lesen kann. Viel kann es nicht sein. Immerhin meldet die Webseite der Stadtverwaltung und die des Tourismusbüros der Region bei einer Veranstaltungabfrage, daß keinerlei Veranstaltungen für dieses Wochenende gefunden wurden (mal abgesehen von Dauerausstellungen). Gut, daß diese Information durch den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) gefördert wurde. Das die Veranstaltungen zu klein sind, unbedeutend oder nicht von öffentlichem Interesse oder nicht durch Stadt und Land gefördert, dürfte nicht der Grund für die Leere des Kalenders sein. Auch das von der Stadt mitveranstaltete (bereits erwähnte) Maifest kennt der gleiche (von der Stadtverwaltung betriebene) Kalender nicht:
http://www.neuruppin.de/kultur-tourismus/tourismus/veranstaltungs-kalender.html
 Gut, daß es wenigstens eine Pressemitteilung und eine Einladung gibt:
http://www.neuruppin.de/verwaltung-politik/veroeffentlichungen/presse/pressemitteilungen/pressemitteilungen-detail/article/03-05052013-einladung-zum-mai-und-hafenfest-neuruppin.html
Wieviele Gäste und Touristen diesen Text wohl finden werden? Aber vielleicht will man ja auch gar nicht mehr Besucher begrüßen, als ohnehin kommen. Immerhin hat man gerade erst den Eintritt aus irgendwelchen Gründen erhöht. Man stelle sich nur vor, man würde den Eintritt senken, Werbung machen und auf Grund der stark steigenden Gästezahlen unterm Strich doch mehr Umsatz machen. Wäre doch für eine Behörde/ein aus öffentlichen Mitteln finanziertes Marketingunternehmen/eine Verwaltung ein völlig neues Konzept, mit dem vergreiste und in ihren Handlungen festgefahrene Betonköpfe nicht zurechtkommen können. Ach ja: Der Marketingfirma (dürfte wohl die stadteigene sein, wie sonst könnte man immer wieder ein so schlechtes Marketing betreiben und doch fest im Sattel sitzen?) würde ich gleich die Leviten lesen: Wie kann man in einem PDF den ganzen Text als Grafik einbinden? Das ist nicht nur unleserlich, es läßt sich auch nicht skalieren und kostet unnötig Speicherplatz. Weiterhin ist es nicht barrierefrei, was grob unhöflich und diskriminierend ist und auch nicht für die Traditionen einer Stadt spricht, die sich doch so gerne mit den Federn verstorbener Schriftsteller schmückt. Fontane hätte bestimmt keine Bilder von seinen Texten veröffentlicht, gäbe es damals schon diese Techniken. So gewinnt man weder einen Blumentopf noch spricht man seine Gäste positiv an.

"Alle" reden von Facebook, Twitter, SMS und Informationsüberangebot. Kaum ein Schritt, den die junge und mittlere Altersgruppe ohne ihr Handy und eine Kurznachricht an alle Freunde macht. Lauter belangloses Zeug. Aber interessante Fakten kommen gar nicht erst ins Netz.
Vor einigen Tagen stand in der Zeitung was über eine Seniorengruppe, die in an einem Computerkurs teilnimmt. Das interessierte mich. Natürlich gab es keine Webadresse zum Veranstalter aber GidF und schon war ich beim Internettreff Matrixx:
http://www.stattwerke.de/Homepage_MME/Matrixx.htm
Wow, was für eine grottenschlechte Seite für ein Internet-Netzwerktreff. Ich wüßte ja auch gerne, wo sie denn geöffnet haben, wenn ich nicht gleich von der  Seite abgeschreckt wäre. OK, ich bin fit im Internet (mich müssen und werden die wohl nicht als Kunden gewinnen). Also einfach mal die URI einkürzen und manuell zur Startseite kommen. Aber auch da finde ich außer belanglosen Marketingsprüchen keine Infos. Der Seniorenclub ist angeblich nicht einmal in meiner Stadt. Gut, daß Google Seiten findet, die der Betreiber nicht einmal selber zu kennen scheint (zumindest kommt man von dessen Webseiten nicht per Link dort hin). Aber mehr als wieder einen inhaltsleeren Text finde ich so auch nicht. Erstaunlich, wie die sechs Senioren, die sich laut Zeitungsbericht dort treffen, davon erfahren haben - Buschtrommeln?
Ein Blick auf die Webpräsenz der Freiwilligen Feuerwehr zeigt, daß deren aktuellste Meldung über ein Jahr alt ist. "Bilder folgen in den nächsten Tagen". Fragt sich, in welchen zeitlichen Dimension die so denken. Erdzeitgeschichtlich betrachtet, sind wir ja auch erst ein paar Sekunden existent. Was ist da schon ein Jahr? Hoffen wir, daß sie sich nicht ganz so viel Zeit lassen, wenn sie zu einem Einsatz gerufen werden. Freiwillige Helfer suchen sie wohl keine - scheint genügend zu geben. Auch das THW vor Ort bemüht sich nicht überschwänglich um Nachwuchs:
http://www.ov-neuruppin.thw.de/mitmachen.php?oesid=ORUP
Man bleibt wohl lieber unter sich oder existiert vielleicht auch gar nicht mehr, denn immerhin ist die letzte Ausbildung laut Terminseite auch schon mehr als ein Jahr her.
Die Gewerbetreibenden der Region nutzen auch jede Gelegenheit, mich als Kunde zu verlieren. Beispiele?
Gut, daß am linken Rand der Text Aktions-Angebote nervig blinkt. Hätte ich beinahe verpaßt. http://www.fleischerei-duelfer.de/angebote.php

Ich habe es gewagt, auf eins der leckeren Produktfotos am oberen Rand zu klicken (s. vorherigen Screenshot). http://www.fleischerei-duelfer.de/error.php?404

 
Wer die verwursteten Seiten (oben) produtziert hat? Mein Browser warnt mich zum Glück vor denen. 

Gut, daß die mir auch den Browser empfehlen, der mich vor ihnen warnt. http://www.arndt-webdesign.de/
Die IHK Potsdam gibt es nun auch in Neuruppin und verweist gleich auf eine Anwaltskanzlei (vermutlich, weil sie so viel klagen müssen, um ihre Zwangsmitgliedschaftbeiträge einzutreiben). Aber eigentlich sitzen die in Fehrbelliner Straße 138 und nicht hier. https://maps.google.de/maps?ll=52.927222,12.824306&spn=0.084856,0.222988&z=13&vpsrc=0
Wir haben Ende April. Weihnachten ist knapp vier Monate vorbei. Aber es kommt ja wieder, dann braucht man nur aus der 12 'ne 13 zu machen. http://www.villa-romantica-neuruppin.de/

Ist das ein regionales Marketingproblem? Ossi-Mentalität (nach dem Motto Werbung ist nicht notwendig, es gibt eh nichts zu kaufen und das was es gibt, kennen alle)? Oder einfach kein Interesse? Dabei kostet Werbung und Öffentlichkeitsarbeit vor allem im Internet kein oder nur wenig Geld und erreicht ein breites Publikum. Aber natürlich nur, wenn die Seiten gepflegt werden, aktuell sind und ansprechend seriös gestaltet sind. Ansonsten darf ich mich natürlich auch nicht wundern, wenn der Besucherzähler sich nicht dreht, weil kein Mensch mehr als zweimal sich zu einem verirrt, findet er doch sowieso keine Neuigkeiten.

Mal ein paar Hinweise:
  • Wer nicht wirbt, stirbt
  • 100 DIN A2 farbige Plakate kosten im Offsettdruck keine €40,-. 5 mm Sperrholzplatten sind für um die €7,-/m² zu erhalten. Aus einem Quadratmeter Holzplatte kann man vier Plakatflächen schneiden, die dann am Straßenrand aufgehangen werden können. Das Holz kann ich sogar nächstes mal wiederverwenden. Für 50 Plakate die ich im Landkreis verteile, kostet das dann gerade mal €90,- an Material (inkl. Leim und Bindedraht).
  • Beim Ordnungsamt muß die Anbringung genehmigt werden. Pro Plakat und Tag werden laut Sondernutzungsgebührensatzung €0,12/Plakat fällig. 14 Tage kosten die 50 Plakate also €84,-. Die Gebühr kann theoretisch sogar vom Amt erlassen werden.
  • Ein hochwertiges 2 x 1 Meter großes Werbeplakat aus PVC-Plane kostet weniger als €30,-
  • Eine Bratwurst kostet im EK um die €0,50. Für €1,50 geht sie über den Tresen. Bleibt also ein Gewinn von etwa 70 Cent netto. Nach dem Verkauf von 277 Stück wären die Werbekosten für die Plakataktion (€194,-) also wieder drin. Nimmt man noch Bier und Softdrinks mit in die Rechnung geht's schneller.
  • Eine einfache Internetpräsenz kostet keine €5,- im Monat. Da ist dann auch schon ein einfaches (aber funktionierendes) Design dabei und ein CMS, bei dem man nur noch seine Daten bequem vom Browser aus eingeben kann - ganz ohne Fachkenntnisse. Aktuell halten, muß man es aber selber. Ist ein Aufwand von wenigen Minuten pro Monat. Dafür kann man dann aktuelle Infos schnell bereitstellen (Öffnungszeiten, Adresse, Kontakt, Krankheitsausfall) Aktionen und Produkte bewerben und wird von Google & Co. gefunden. Und wer gefunden wird, wird auch besucht und macht Umsatz.
  • Jede Zeitungsredaktion lebt davon, über Events zu berichten. Also rechtzeitig denen eine Presseinformation per Fax zustellen. Ansprechpartner benennen und vor allem: alle für Besucher wichtigen Infos angeben und nicht im eigenen Selbstlob suhlen.
  • Bei den ganzen Veranstaltungskalendern muß man sich melden. Die kommen nicht auf einen zu und betteln um Infos. Dafür ist der Eintrag kostenlos und in der breiten Fläche wirksam. Es gibt auch noch gedruckte Veranstaltungskalender mit Tradition. Auch wenn das lokale Projekt traurigerweise wohl nach kurzer Zeit schon wieder gestorben ist. Vermutlich, weil kein Veranstalter sich bei denen gemeldet hat.

Nachtrag:
Zufällig kam ich dann doch beim Sportcenter vorbei. Flyer fand ich nicht so schnell. Also einen der Organisatoren angesprochen. Der teilte mir mit, daß aus dem Programm so ein Geheimnis gemacht wird, weil sonst die Teilnehmer zu viel trainieren würden. Klar, wenn ich erfahre, wo ich als Zuschauer wann stehen sollte, kennen die Fahrer gleich die ganze Strecke. Und wann sie losfahren sollen, erfahren sie sicher auch erst kurz zuvor. Aber im Rennbüro, da würde ich die Infos bekommen. Das Büro ist drinne, hinten durch, dann rechts, durch den langen Gang, links, rechts, am Ende. Eins-fünfzig soll ich dann noch dafür bezahlen. Und tschüß! Meine Tochter drückt derweil meine Hand ganz doll. Als Zeichen dafür, daß ich ihr peinlich bin, wenn ich gleich ausfallend werden sollte und ich mich zusammenreißen möge. Wieso soll ich dafür bezahlen, daß ich erfahre, wo ich als Zuschauer einen guten Platz habe? Finanziert das den Sport? Wahrscheinlich handelt es sich bei einer Motorrennveranstaltung um ein soziales Projekt finanziell schwachgestellter Mitbürger. Ich frage mich, ob ich als Sponsor nicht vielleicht etwas enttäuscht bin, wenn am Streckenrand zwar meine Plakatwerbung steht, aber kein Zuschauer mangels Anwesenheit sie sieht. Oder wieviel Umsatz man mit Bratwurst und Bier bei dem schönen Wetter machen könnte - vorausgesetzt es ist jemand da, der den Weg zum Zuschauerpunkt gefunden hat.

Nachtrag II (24.4.13):
Die Stadtverordneten stimmten darüber ab, ob sie die Bürger nicht über Neuigkeiten und Veranstaltungstermine per Twitter informieren wollen. Gute Idee: Ich werde mich anmelden. Da kann ich sicher sein, nie eine Nachricht zu bekommen.

Nachtrag III (30.10.13):
In wenigen Tagen findet mal wieder der Martinimarkt statt. Als Neuruppiner kommt man nicht umhin, davon Kenntnis zu erlangen. An der Werbung kann es aber nicht liegen. Nirgends in der Stadt sind Plakate zu sehen, kein Terminkalender kennt das Fest und nennt Details wie zum Beispiel Eröffnungsveranstaltung, Öffnungszeiten, Parkplatzmöglichkeiten (gerade beim herrschenden Baustellenchaos sinnvoll). Und obwohl der Markt angeblich eine überregionale Bedeutung hat ("von Berlin bis Ostsee"), sieht die Werbung in anderen Städten wie Wittstock, Kyritz, Oranienburg oder gar Berlin genau so dürftig aus. Der Gipfel der traurigen Negativbeispiele stellt die Stadtseite im Web dar: Seit Wochen gibt es eine mickrige Presseerklärung auf der "Details zum Martinimarkt in den nächsten Tagen" folgen sollen.
http://www.neuruppin.de/verwaltung-politik/veroeffentlichungen/presse/pressemitteilungen/pressemitteilungen-detail/article/3110-10112013-einladung-zum-358-neuruppiner-martinimarkt.html

Die Tage sind tatenlos verstrichen. Wen wundert's da, daß der Veranstaltungskalender auf der gleichen Seite mit noch weniger Informationsgehalt daherkommt. Der Chef des Stadtmarketings Bubl schwelgt derweil selbstverliebt in Ausschweifungen zum Flair des Marktes und begründet den verhinderten Wachstum, trotz Nachfrage seitens der Schausteller, mit fehlender Kaufkraft in der Region. Wenn man die kaufkräftige Umgebung der armen Region nicht ins Boot holt, mag das sein. Als Schausteller würde ich mich ärgern, denn immerhin zahlen die Standmiete und die sollte auch fürs Marketing genutzt werden. In der Abendschau des rbb wird bei Ausflugstips fürs Wochenende der Markt ebenso wenig erwähnt, wie im Videotext.
Immerhin gibt es jetzt bei der Presseerklärung auch einen Flyer zu bestaunen. Mal wieder als Grafik. Unleserlich, nicht skalierbar, nicht barrierefrei - unmöglich.
http://www.neuruppin.de/fileadmin/dateien/bilder/Pressemitteilungen/Martinimarkt_Flyer_2013.jpg
Am Straßenrand tauchen dann doch noch Plakate auf: Langweilige Gestaltung, deprimierende Farben, unterbelichtete Amateurfotos und ohne viel nützlichen Inhalt:
Auf der angegebenen Webseite findet man nicht wirklich Infos zum Markt. Fragt sich also, ist das mit städtischen Geldern finanzierte (Schleich-) Werbung für eine GmbH, die Veranstaltung oder das (unausgegorene) Stadtmarketing?
So reiht sich auch diese Veranstaltung in eine blamable Reihe von schlecht vermarkteten Events in der möchtegern Kulturstadt.

Sonntag, 14. April 2013

Monopoly oder Lotto spielen?

McDonald’s veranstaltet mal wieder ihr Monopoly Spiel. Auf den verschiedenen Verpackungen befinden sich unterschiedlich viele Aufkleber, die dann gegen einen Direktgewinn eingetauscht werden können oder von denen mehrere (verschiedene) gesammelt werden müssen, um einen der Hauptgewinne einzustreichen.

Am einfachsten einzulösen sind die Sofortgewinne, die es in Form von "Millionen leckerer McDonald's Produkte" [1] gibt. Also ein Eis, ein Cheesburger usw. Einfach an der Kasse den Sticker abgeben und sich weiter überfressen (Salate oder andere gesunde Sachen gibt's dabei AFAIK nicht). Wieviele es dieser Gewinne gibt, sagt der Burgerbrater nicht.

Dann gibt es an die 106 Millionen von - ich nenne es mal - Scheingewinnen: Gutscheine für Handyverträge, Poster, Erlebnisveranstaltungen, Werkstattgutscheine, Reisevergünstigungen. Diese "Gewinne" sind nur Gutscheine auf einen Rabatt. Also muß ich beim Anbieter ein (überteuertes?) Produkt kaufen, um den Gutschein nutzen zu können. Selbst wenn  nur Versandkosten berechnet werden, ist der Gewinn nicht umsonst und in der Masse ist anzunehmen, daß der Anbieter sogar seinen Verlust gegen Null fahren kann. Mal abgesehen davon, daß er kostenlos an meine kostbaren Daten kommt. Ein Adressenhändler will dafür Geld haben. Bei Lovefilm kann ich (auf den ersten Blick) 45 Tage Filme kostenlos downloaden. Ganz ohne Kosten. Tolles Ding von denen. Wie hoch der reale Wert davon wohl ist? Ich denke, die Lizenzgebühren für die Filme sind für den Anbieter vernachlässigbar, denn er wird kaum welche bezahlen müssen, denn es sind wohl eher ältere Filme, die da angeboten werden und keine Blockbuster. Und der Vertrag mit den Verleihfirmen wird entsprechend ausgestaltet sein. Ach ja: Hinter Lovefilm steckt Amazon. Der zweitgrößte Datenkrake nach Google. Welche Interessen die wohl bei der Gewinnauslobung verfolgen? Und wer nicht aufpaßt, hat am Ende einen Jahresvertrag für irgendwas an der Backe, sollte der Vertrag aus dem Gewinn nicht rechtzeitig gekündigt werden.

Rechnen wir diesen ganzen "Müll" mal von den Gewinnen ab, bleiben 5.190 echte Preise (vom Kleingewinn chinesischen Elektromülls bis hin zu Autos und Weltraumflug - wobei vermutlich nur der billigere Flug auf 61 km verlost wird, was streng genommen noch Erdatmosphäre und nicht Weltraum ist, aber so genau sind die Preise bei McDonald's und den Partnern alle nicht beschrieben).

So kommen wir zum Thema: 2011 Tag fanden "durchschnittlich mehr als 2,76 Millionen Gäste den Weg in die Restaurants" [2]. Die Aktion läuft 35 Tage [3]. Gehen wir davon aus, daß sich die Besucherzahlen von 2011 in 2013 nicht verschlechtert haben (während der Spielzeit sind sie vermutlich eher sogar höher), dann haben 5.286,6 Millionen Menschen sich etwas beim MäcDoof gekauft. Es ist natürlich schwer zu bestimmen, wieviele Sticker dabei in Umlauf kommen. Je nach Menü gibt es irgendwas zwischen drei und neun Stickern. Aber ich setzte die Rechnung mal ganz vortielhaft an: Jeder Kunde kauft nur einen Softdrink mit drei Stickern. Wobei einer davon für die dämlichen Scheingewinne abgeht. Verbleiben also 10,6 Milliarden Sticker, die einen Gewinn bedeuten können. Die Rechnung ist eigentlich noch etwas komplizierter, denn man muß ja mehrere Sticker sammeln (ganze "Straßen" etc.). Aber gehen wir mal davon aus, daß jeder dieser Sticker einem der Hauptgewinne entspricht, denn die meisten Sticker sind die millionenfach in Umlauf gebrachten uninteressanten Straßen und die findet man meistens als Abfall auf den Tabletts in den Abräumwagen. Vom Kauf vermeintlich seltener Straßen bei ebay und Co sollte man übrigens die Finger lassen. Die Chance auf einen Gewinn stehen damit also 1:0,000.000.981.727. Das bedeutet, die Chance auf einen Gewinn stehen nur ein wenig besser als beim Lottospiel mit 6 Richtigen und richtiger Superzahl und 0,000.000.715.11 % Gewinnwahrscheinlichkeit, bei einem Einsatz von knapp 2 Euro für den Spielschein. Ohne die Superzahl stehen die Chancen sogar deutlich besser bei 0,000.006.436.0 % und das bedeutet im Schnitt ein Gewinn von 466.127,20 € und nicht nur ein billiger Kopfhörer oder Lautsprecher. In Wirklichkeit sind die Gewinnchancen bei Mäc natürlich noch wesentlich schlechter, denn auch die Kunden aus Österreich und Luxemburg spielen mit und es werden sicherlich mehr Sticker unter das Volk gebracht, als nur die auf einer Cola.

Von Betrug bei MacDonald's Monopoly kann man also sicher nicht sprechen, denn es gibt ja was zu Gewinnen. Ob man die meisten Preise haben will? Wohl eher nicht. Ob die meisten (Schein-) Preise eingelöst werden? Unwahrscheinlich. Ob das Gewinnspiel die Fettleibigkeit steigert? Mit Sicherheit. Ob viele Kunden durch das Spiel verleitet werden und nicht nur zu viel essen werden, sondern in eine leichte Spielsucht verfallen? Ich glaube schon.